Über den Dächern Berlins: ein Glitzern!

Warum Berlin nun Klimahauptstadt ist. Im Gespräch mit Mao Luder-Litze – dem Urgestein der Klimabewegung

Mao Luder-Litze setzt sich seit vielen Jahren für eine sozial-ökologische Transformation ein. Er war aktiv in der Klimabewegung, sowohl als theoretischer Wegbereiter als auch unmittelbar in Aktionen zivilen Ungehorsams in diversen Kohlerevieren. Bella Luft vom Berliner Morgenrot traf sich mit ihm, um über fehlende rote Sonnenuntergänge zu sprechen und wie es dazu kam, dass sich Berlin mittlerweile stolz Klimahauptstadt nennen kann.

BL: Früher kannten wir Berlin vor allem als arm, dreckig aber sexy – und nicht gerade als Hochburg der Umweltbewegung. Heute kommen StadtplanerInnen aus der ganzen Welt hierher, um von Berlin zu lernen. Wie kam es dazu – wie wurde alles besser?

ML: Naja. Nicht alles. Damals gab es noch diese wunderschönen Sonnenuntergänge, eine brillanten Kombination von gelb, rot und orange. War nur leider das Resultat der Tatsache, dass Berlin damals eine der höchsten Feinstaubbelastungen deutscher Großstädte hatte.

BL: Danke, dass Du uns an Deinen Erinnerungen teilhaben lässt, Opa. Aber was unsere LeserInnen wissen wollen ist: was habt Ihr damals gemacht, um das zu ändern?

ML: Ich glaube, der Sommer 2017 war der Wendepunkt. Damals sahen wir uns einem massiven Rechtsruck ausgesetzt, linke Bewegungen und Parteien schienen zu schwächeln, wir hatten das Gefühl, tief in der Scheiße zu stecken. Dann ging es plötzlich Schlag-auf-Schlag. Zuerst kamen die G20-Proteste in Hamburg. Das setzte ein Zeichen, dass linke und ökologisch gerechte Alternativen realistisch und durchsetzbar sind. Kurz nach den G20, ich glaube, es war im August, hatte die Anti-Braunkohle-Kampagne Ende Gelände eine große Aktion im Rheinland geplant. Zu diesem Zeitpunkt war Deutschland der weltweit führende Produzent von Braunkohle, dem dreckigsten aller Energieträger. Da tauchten statt der erwarteten 5.000 Leute sage und schreibe 20.000 Menschen auf, und legten für eine ganze Woche das rheinische Braunkohlerevier lahm. Als dann bei der Bundestagswahl die Rechten baden gingen, und eine Mitte-Links Regierung an die Macht kam, stand diese unter enormem Druck der Klimabewegung, einen schnellen Kohleausstieg zu verabschieden, wozu es dann auch kam.

BL: Schön und gut. Aber Berlin?

ML: In Berlin gab’s gleich mehrere Auseinandersetzungen. Zuerst die um das Stromnetz: seit Jahren hatten mehrere Bewegungen auf rechtlichem Wege dafür gekämpft, das Stromnetz zu ‚rekommunalisieren‘. Ich weiß, das ist heute kaum noch vorstellbar: damals waren die Stromnetze doch tatsächlich in privater Hand. Man war wirklich der Meinung, dass es das Beste für alle wäre, wenn einige wenige Konzerne die Macht über die Energieversorgung besitzen. Mit dem Druck riesiger Proteste wurde dann aber die Rekommunalisierung durchgesetzt. Schwierig war das auch mit der energetischen Gebäudesanierung: Die Situation war so: wir Klima-AktivistInnen hatten Angst, dass wir in einen Konflikt geraten weil wir die Gebäudesanierung aus einer Klimagerechtigkeitsperspektive heraus echt notwendig finden. Damit wurden aber auch oft Mietsteigerungen gerechtfertigt. Die Lösung: Durch die Rekommunalisierung eines Großteils der Wohnungen, konnte eine energetische Sanierung von Wohnungen besser umgesetzt werden. Die Kosten der Sanierung erfolgte durch eine Art ‚Kurtaxe‘, gepaart mit Einnahmen aus einer Vermögenssteuer. Heute sind fast alle Häuser in Berlin energetisch saniert, und die meisten haben oben auf den Dächern Solarmodule. Manchmal denke ich, das Glitzern über den Dächern Berlins versöhnt mich ein Bisschen mit dem Verschwinden der roten Feinstaubsonnenuntergänge..

Bild: Break Free / Tim Wagner auf flickr.com / CC BY-NC 2.0

Alles gehört allen

Päpstin Franziska veröffentlichte gestern die Enzyklika „Omnia sunt comunia“, in der sie den Kapitalismus als unmenschlich geißelt und eine neue Gesellschaft beschwört, in der allen alles gemeinsam gehört. Bereits kurz nach ihrer Geschlechtsumwandlung hatte die Päpstin eine Stellungnahme zu den Verwerfungen des „Großen Kladderadatsch“, wie die letzten Krisen bezeichnet werden, angekündigt. Die neue Enzyklika knüpft an bisher minoritär gebliebene Traditionen in der katholischen Kirche an, wie die Befreiungstheologie, aber auch an Reformatoren, wie Thomas Müntzer. Scharf wurden hingegen Irrlehren der „protestantischen Ethik“ verurteilt. Diese hätten mit der Behauptung, am ökonomischen Erfolg messe sich das Auserwähltsein durch Gott, die Ausbreitung des Kapitalismus befördert. Reformbemühungen in den evangelischen Kirchen wurden hingegen begrüßt.

Filmtipp „Berlin Rebel Highschool“

Seit 1973 gibt es die Schule für Erwachsenenbildung in Kreuzberg, jetzt gibt es endlich einen Film über das Lernen ohne Angst.

Für den Dokumentarfilm „Berlin Rebel Highschool“ begleitet Alexander Kleider eine Gruppe von Jugendlichen zwei Jahre durch ihren Schulalltag an einer Schule, die ganz anders ist. Hier gibt es keine Noten und keinen Direktor, dafür Raum für Diskussionen. Kleider lässt seine ZuschauerInnen Teil haben, wie die SchülerInnen die Freude am Lernen wiederentdecken und sich mit der Angst zu Scheitern auseinandersetzen. Dabei wird klar: Wer hier zur Schule geht ist Teil eines kollektiven Projekts und muss Verantwortung übernehmen. Gemeinsam putzen SchülerInnen und LehrerInnen die Klassenräume und die Toiletten. Keine Hierarchien bedeutet hier, dass alle zupacken müssen. Kleider, der selber vor vielen Jahren Schüler an der SFE war, sieht die Schule als eine Alternative zum deutschen Bildungssystem: „Niemand zwingt die Schüler, ihr Leben zu verändern, niemand setzt sie unter Druck oder kontrolliert sie.“ Der Film zeigt wie alles anders sein kann. „Berlin Rebel High School“ zeigt aber auch, dass es nicht ohne Arbeit geht.

Seit Mai in den Kinos.

Berliner Wirtschaft vor der Vergesellschaft

Prekäre Arbeit ist in Berlin in allen Wirtschaftszweigen weit verbreitet: Zu diesem Schluss kommt der erste vorläufige Bericht zur Struktur der Berliner Wirtschaft, den die neugegründete Vergesellschaftungskommission gestern vorgelegt hat. Um das Ziel Vergesellschaftung zu erreichen, so die Forderung der Kommission, müsse die Berliner Wirtschaft stark verändert werden. Viele Bereiche seien bislang für einen gemeinwohlorientierten Zweck ungeeignet. Auch müssten die Arbeitsverhältnisse auf den Prüfstand gestellt werden, wie dies etwa im Gesundheitswesen bereits geschehe. Der Bericht liefert hierfür eine erste Bestandsaufnahme.

Die Kommission war auf der ersten gemeinsamen Kiez- und Betriebsversammlung für ganz Berlin gegründet worden. Kritiker behaupten, der Senat habe der Kommission nur zugestimmt, um die immer noch anhaltenden Streiks, Betriebsbesetzungen und wilden Vergesellschaftungen zu beenden. Richard Müller, Vorsitzender der Kommission, gibt zu, dass es diese ohne den Druck der seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzungen nicht geben würde. Die beabsichtigte Vergesellschaftung brauche aber ein planmäßiges und geordnetes Verfahren: „Vergesellschaftung bedeutet nicht einfach Verstaatlichung. Wir wollen sicherstellen, dass die Produktion demokratisch durch die Beschäftigten organisiert wird und die Berliner Betriebe für die Bedürfnisse aller Einwohner der Stadt arbeiten, anstatt für die Profite einiger weniger“, so Müller bei der Vorstellung des Berichts. Daher müssten auch die Bürger an ihrer Leitung beteiligt werden. Als Vorbilder nannte er die zahlreichen gemeinwohlorientierten Kooperativen in der Stadt und die neuen kommunalen Energie- und Wasserversorger.

Unbestreitbar notwendig sei die Lebensmittelindustrie mit 11.000 Beschäftigten, auch wenn ein großer Teil auf die Süßwarenproduktion und die Getränkehersteller, vor allem Bier und Kaffee, entfällt. Wie im gesamten verarbeitenden Gewerbe ist hier die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Über ein Drittel der Beschäftigten sind Leiharbeiter, Scheinselbstständige oder befristet Beschäftigte. Besonders miserabel sind die Bedingungen in der Fleischindustrie im Berliner Umland, wo viele Arbeitskräfte aus Osteuropa schuften. Aber auch bei den in Berlin besonders vertretenen Elektroherstellern, Maschinenbauern und der Pharmaindustrie finden sich viele verschiedene Arbeitsverhältnisse unter einem Dach. Möglich wurde dies durch Auslagerungen von Aufgaben an Fremdfirmen und Betriebsausgründungen. In den Berliner Technologie- und Industrieparks, wie der Siemensstadt, sind viele formell voneinander unabhängige Betriebe angesiedelt, die früher Bestandteile desselben Unternehmens waren.

Insgesamt machen die in der Berliner Industrie arbeitenden 119.000 Beschäftigten nur acht Prozent aller Erwerbstätigen in der Stadt aus. Nach wie vor hat die Berliner Industrie also eine geringe Bedeutung, von den massiven Einbrüchen nach der Wende hat sie sich nicht mehr erholt.

In den übrigen Wirtschaftssektoren (siehe Kasten) herrschen laut Bericht jedoch noch prekärere Verhältnisse als in der Industrie. Unsichere Arbeitsverhältnisse und niedrige Löhne finden sich sowohl in den Berliner Hotels als auch an den Hochschulen oder in den Start-ups. Das hat den Ruf Berlins als „Hauptstadt der Prekären“ begründet: 500.000 Menschen, also knapp 40 Prozent der Erwerbstätigen, sind hier prekär beschäftigt. Betroffen sind besonders viele junge Menschen und Migranten von innerhalb und außerhalb der EU.

Eine weitere Erkenntnis des Berichts: Die Fluktuation auf dem Berliner Arbeitsmarkt ist sehr hoch. Oft wechseln die Leute zwischen Arbeitslosigkeit, befristeter Anstellung und Werkverträgen. Die Grenze zwischen den knapp 180.000 Erwerbslosen in der Stadt und den Erwerbstätigen verschwimmt so immer mehr – die gemeinsame Organisierung beider Gruppen, die in den letzten Monaten an vielen Orten in Berlin zu beobachten war, wurde dadurch sicher begünstigt. Die lokalen Streikbündnisse aus prekär Beschäftigten und Erwerbslosen hatten zusammen mit den Streiks im Gesundheitswesen zur Ausbreitung der Streikbewegung und ihren oft ungewöhnlichen Aktionsformen beigetragen.

Die Uneinheitlichkeit vieler Wirtschaftszweige, die hohe Anzahl an Klein- und Kleinstbetrieben, aber auch die Digitalisierung mit ihren Crowdworking-Plattformen und Online-Diensten stellen laut der Kommission eine besondere Herausforderung für die Vergesellschaftung dar. Erste positive Ansätze gibt es aber bereits mit den in den Streiks entstandenen gemeinnützigen Plattformen und Online-Kooperativen.

„Schwieriger sieht es bei dem ebenfalls sehr großen Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen aus“, so der Kommissionsvorsitzende Müller. Hierzu gehören Zweige wie die Gebäudereinigung, die unbestreitbar weiterhin notwendig sind. Andere, vor allem Finanzdienstleistungen, die Rechts- und Marketingabteilungen sowie das Management in den privaten profitorientierten Unternehmen, haben laut der Kommission jedoch keine gemeinnützige Funktion. „Hier wartet also noch eine große Aufgabe der Reorganisation und Umschulung“, sagte Müller. Die Ausbildung der in diesen Bereichen Beschäftigten sei für die neuen Anforderungen ungeeignet, oftmals herrsche hier noch ein veraltetes Status- und Leistungsdenken.

Berliner Wirtschaft in Zahlen

Die größten Wirtschaftssektoren in Berlin sind das Gesundheitswesen mit 226.000 Beschäftigten, der öffentliche Dienst mit 193.000 (wozu auch Lehrer und Erzieher gehören) und Verkehr und Logistik mit 101.000 Beschäftigten, wozu noch die Logistikzentren im Berliner Umland hinzukommen. Die größten Unternehmen sind die Deutsche Bahn, die Charité, Vivantes und die BVG. Daneben florieren auch das Gastgewerbe und die Tourismusindustrie sowie Forschung und Kultur. Allein die Clubszene beschäftigt über 8000 Personen. Einen besonderen Boom erlebte zuletzt die Internetwirtschaft, wo sich die Beschäftigtenzahlen von 2012 bis heute auf über 13.000 Menschen mehr als verdoppelt haben.

Bild: Maike Heinrichs

Berliner Schloss wird Wohngemeinschaft

Die „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“ verkündete gestern die Änderung ihre Pläne. „Wir haben uns entschieden, den Ausbau des Schlosses zu beenden. Das Humboldtforum wird einem Studentenwohnheim weichen“, so Monika Grütters. Die Entscheidung wurde unter dem Druck kritischer Studierender getroffen. Sie forderten bezahlbaren Wohnraum in zentraler Lage.

Das Berliner Schloss wurde umgebaut, um Ausstellungen über außereuropäische Kulturen zu beherbergen. Dem Projekt wurde Geschichtsvergessenheit vorgeworfen, da ein Großteil der Ausstellungsstücke in der Zeit des Deutschen Kolonialismus geraubt worden war.

Austellung: Das Berlin der Zukunft

Zum Jubiläum der Russischen Revolution von 1917 eröffnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen heute eine Ausstellung zu städtebaulichen Utopien in der frühen Sowjetunion. Erklärtes Ziel ist es, sich Anregungen für den geplanten kommunalen Wohnungsneubau zu holen. Im Mittelpunkt stehen Entwürfe für Kommunehäuser: Wohneinheiten, die auf ein gemeinschaftliches Wohnen ausgerichtet sind, um die Vereinzelung in der modernen Großstadt zu überwinden. Charakteristisch sind umfassende Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantinen und Waschsalons, Gartenanlagen, Schwimmbäder und Bibliotheken. Deren Funktion besteht sowohl darin, den Aufwand für Hausarbeit zu reduzieren, als auch Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen.

Im Zentrum der Ausstellung steht der Entwurf von Georgi Krutikow „Die Stadt der Zukunft“. 1928 reichte er ihn als Diplomarbeit an der Moskauer Kunst- und Technikhochschule ein. In Krutikows futuristischem Szenario finden Arbeit und Freizeit auf der Erde statt, das Wohnen hingegen in Wohnquartieren, die über ihr schweben. Diese bestehen aus einem fliegenden Ring, auf dem sich mehrere Wohntürme aufrichten. Im Ring selbst befinden sich die Gemeinschaftseinrichtungen. Die Wohntürme bestehen hingegen aus einzelnen Wohneinheiten, die mobil sind. Es sind fliegende Gefährte mit ausziehbaren Schränken. Sie können sich aus den Andockstellen der Wohntürme lösen und davonfliegen, etwa in eine andere Stadt. „Der Entwurf verbindet auf sehr elegante Weise die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens mit dem Prinzip individueller Freiheit und Mobilität“, schwärmt Bausenatorin Katrin Lompscher. „Das Modell der fliegenden Stadt könnte außerdem in Zukunft das Raumproblem für den Neubau lösen“, fährt sie fort. Auf diese Weise ließen sich die Berliner Grünflächen erhalten und dennoch das ambitionierte Neubauprojekt realisieren. Ihr Ministerium habe bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.

Heikel könnte es hingegen bei der Frage der Energieversorgung werden. Krutikow hatte umfangreiche Energieberechnungen zur physikalischen Machbarkeit durchgeführt. Seine Hoffnungen beruhten 1928 noch auf der Kernenergie. Nach dem Atomausstieg ist das keine Option mehr. Allerdings haben auch die erneuerbaren Energien große Fortschritte gemacht. Mit entsprechenden Investitionen in Forschung und Entwicklung könnte dieses Problem bald gelöst werden, zeigt sich die Senatorin zuversichtlich. So bietet die Ausstellung auch für junge ArchitektInnen Raum, ihre Entwürfe zum Thema Wohnutopien vorzustellen. Besondere Aufmerksamkeit erhielten bei der Eröffnung die Werke eines Kollektivs aus Berlin, das anhand von Bürgerbefragungen verschiedene Modelle entwickelt hatte. Doch auch weitere beeindruckende Ideen sind zu begutachten.

Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich in jedem Fall.

Bild: Georgi Krutikow

Aufbruch in Anderlecht

Das Spitzentreffen der Europäischen Kommission am Wochenende verspricht eine grundlegende Kehrtwende der EU.

Die neue Mentalität wird schon in dem Veranstaltungsplan deutlich, den die Pressestelle für den EU-Gipfel am kommenden Wochenende nun veröffentlichte. Symbolisch soll statt des jahrzehntelang üblichen Sektempfangs diesmal ein schlichtes Abendessen die Konferenz eröffnen. „Die Regierungschefs werden gemeinsam für das ganze Personal eine Kartoffelsuppe nach einem Rezept von Angela Merkel kochen“, erzählt der Sprecher der Vorbereitungsgruppe, der Niederländer Pieter de Vries. Neben Demut und Bescheidenheit wolle man damit vor allem den neuen Willen zur Zusammenarbeit betonen.

Auch das Ambiente wird wohl für viele BetrachterInnen ungewöhnlich wirken: Nachdem die Europäische Kommission Anfang des Jahres ihre repräsentativen Gebäude verlassen hat, um Platz für eine Europa-Universität zu machen, hat sie ihren neuen Sitz in einem Bürokomplex in Plattenbauweise bezogen. „Das Haus stand jahrelang leer, da war uns sofort klar, dass wir einen Neubau nicht rechtfertigen können“, sagt de Vries.

Die mit Graffiti überzogene dunkelgraue Fassade des Zwölfstöckers im Brüsseler Problembezirk Anderlecht soll nun die Kulisse für einen historischen Gipfel bieten: Nicht weniger als eine Neugründung der EU wolle man am Wochenende vollziehen, wie Mercedes Iglesias, Sprecherin der Kommission vorträgt.

„Es wurden in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht, die viele Menschen in Armut stürzten und das Vertrauen ins uns nachhaltig erschütterten“, erzählt die Spanierin Iglesias kopfschüttelnd. „Denken Sie nur an die Eurokrise!“. Damals hatte das Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen viele europäische Staaten in den wirtschaftlichen Niedergang gestürzt. „Und wie hat die EU reagiert? Sie hat diesen Staaten brutale Sparkurse verordnet, die ihnen auch noch das letzte Bisschen Produktivkraft raubten!“. Iglesias‘ Mundwinkel verschiebt sich zu einem gequälten Lächeln: „Ich müsste lachen, wenn ich nicht selbst damals arbeitslos geworden wäre. Nach ein paar Monaten konnte ich die Arztrechnungen für meine Kinder nicht mehr zahlen, wir verloren unsere Wohnung und alle Ersparnisse.“

Zu solchen Zuständen soll es nie wieder kommen, das macht bereits der erste Artikel des Neugründungsvertrags deutlich: „Erste und oberste Maxime politischen Handelns ist die Realisierung der Menschenwürde; die politische, soziale und ökonomische Gleichheit aller bedingt sie.“ Die EU wird nach dem Geist des neuen Vertrags ein Gremium zur Koordination der vielen Tausend vergesellschaftlichten Betriebe in Europa sein. Ihr Wirken soll schädlichen Wettbewerb zwischen den Ländern verhindern und die ökonomischen Ungleichheiten so ausgleichen. Zudem soll sie für die Einhaltung des europäischen Mindestlohns und der einheitlichen Arbeitsstandards sorgen. Die Grenzschutzagentur Frontex wird zugunsten eines öffentlichen Fährbetriebs aufgelöst.

Die Annahme des Vertragswerks gilt als sicher, nachdem fast alle europäischen Regierungen unter innenpolitischen Druck geraten waren, Armut abzuschaffen. Auch die Bundesregierung hat Zustimmung signalisiert. Der Gipfel am Wochenende sei auch das letzte Mal, hieß es in einer Pressemitteilung, dass sich die Kommission, auf diese Art zusammenfinde. Vielmehr wolle man öffentlicher debattieren und die Entscheidung aus den lokalen Gremien zusammentragen.

Bild: Ole Heinsen

„Achselhaare sind wieder total gefragt“

Die aktuelle Staffel von Germany´s Next Topmodel neigt sich dem Ende zu. Doch die Fans müssen bis zur 13. Staffel der Erfolgsshow nicht lange warten – und sie können sich auf einige Neuerungen gefasst machen. Heidi Klum verrät im Gespräch mit dem Berliner Morgenrot, was uns erwartet.

Frau Klum, Sie haben neulich in der Gala angekündigt, dass in der nächsten Staffel von GNTM „alles anders“ werden soll – ist das wieder so ein PR-Gag, um die ZuschauerInnen bei der Stange zu halten?

Klum: (lacht) Im Ernst, das ist diesmal mehr als nur ein Werbetrick! Denn wenn man mal ehrlich ist, hat meine Sendung in den letzten Jahren doch einigen Schaden angerichtet. Es war also höchste Zeit für ein Umdenken.

Wie meinen Sie das?

Klum: Es ist doch einfach so: Bei GNTM wurde bisher ein höchst fragwürdiges Frauenbild präsentiert. Frauen sollen in erster Linie gut aussehen. Sie sollen stets lächeln und „sexy“ sein. Und dann dieses Schönheitsideal: Obwohl bei uns ab und zu vor laufender Kamera Burger gegessen wurden, hat das leider nicht ganz davon ablenken können, dass die Kandidatinnen unter keinen Umständen ein bestimmtes Gewicht überschreiten durften, nach dem Motto: „schön ist nur, wer superdünn ist“. So ein Frauenbild führt dazu, dass Millionen von Mädchen lernen, ihren eigenen Körper zu hassen – das ist mittlerweile sogar wissenschaftlich belegt. Die Medienwissenschaftlerin Maya Götz ist in ihrer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass bei jungen Mädchen, die meine Show sehen, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper gestiegen ist. Das kann so nicht weitergehen! Von jetzt an möchte ich mit meiner Show zu einem anderen Schönheitsideal beitragen. Feminismus ist seit einiger Zeit wieder im Kommen…Wir müssen ja auch an die Einschaltquote denken…

Was für ein Schönheitsideal schwebt Ihnen denn vor?

Ich denke da an kein besonderes Ideal. Wichtiger ist mir jetzt: Frauen sollen ihren Körper so akzeptieren können, wie er ist, und sich darin wohlfühlen.

Was bedeutet das konkret für die Show?

Klum: Ich will natürlich noch nicht alles verraten. Aber so viel kann ich sagen: Situationen wie in Staffel 12, als mein Kollege Thomas Hayo einer Kandidatin befohlen hat, ihre Achselhaare zu rasieren, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Ganz ehrlich: Achselhaare sind ein Zeichen von Weiblichkeit!

Ist das schon alles? Oder was ändert sich noch?

Klum: Auf die starke Konkurrenz wollen wir in Zukunft verzichten, weil wir finden, dass es eigentlich wichtiger wäre zu lernen, wie man untereinander kooperiert und sich unterstützt. Wir werden auch darauf verzichten, die Kandidatinnen durch absurd-waghalsige Shootings gezielt an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu bringen. In der neuen Staffel entscheiden die Kandidatinnen selbst, was sie anziehen, wann und auf welche Art und Weise sie sexy sein wollen.

Wird es denn wieder ein „Team Diversity“ geben?

Klum: Also jedenfalls nicht so wie in der laufenden Staffel. Das war zwar schon ein erster Ansatz, aber ehrlich gesagt vor allem eine Marketing-Nummer – zwei Transgender-Models und ein paar Teilnehmerinnen mit Migrationshintergrund laufen mit, aber an der Gesamtlogik ändert sich nichts. Diesmal war Team „Diversity“ nur eine der zwei Untergruppen und durch den Titel ja auch als was ganz besonderes herausgestellt. Dabei ist das eigentlich der absolute Normalfall in der deutschen Gesellschaft. Die allerwenigsten Frauen entsprechen in allen Punkten der Norm. Wenn wir von „Vielfältigkeit“ reden, dann meinen wir das ab jetzt auch ernst. Es wird nicht mehr nur ein einziges vielfältiges Team geben. Außerdem wollen wir die Vielfältigkeit noch viel konsequenter in den Mittelpunkt stellen, Warum also nicht mal Plus-Size-Models? Natürlich könnte man jetzt fragen, ob es nicht auch mal männliche Kandidaten sein können, oder Personen, die sich keiner Geschlechterkategorie zugehörig fühlen. Das ist für die 14. Staffel auch in Planung. Sie wissen ja, ich bin immer für neue verrückte Ideen zu haben!

Bild: jingdianmeinv1 / flickr.com. Lizenz: CC BY-SA 2.0

15-Stunden-Woche dank Roboter

Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Kiel könnte dank Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitszeit auf 15 Stunden die Woche gesenkt werden. Voraussetzung sei jedoch eine Vergesellschaftung der Wirtschaft. „Aufgrund billiger und flexibler Arbeitskräfte kam es bisher zu einem Investitionsstau bei der Erneuerung der Produktionsanlagen“, so Wirtschaftsforscher Hans Fresenius. Für die profitorientierten Unternehmen hätten sich die Ausgaben für teure Maschinen schlicht nicht gelohnt. In einer Wirtschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen, könnten die heutigen technischen Möglichkeiten jedoch voll ausgeschöpft werden. Bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung könnte die Arbeitszeit so pro Beschäftigtem innerhalb kürzester Zeit mehr als halbiert werden, rechnet der Experte vor.

Teakker meldet Insolvenz

Die Umstrukturierung des Berliner Wohnungsmarktes hat dazu geführt, dass sich eine mieterfeindliche Wohnungspolitik nicht mehr lohnt. Das ist gut für die Millionen von MieterInnen Berlins – und schlecht für den dänischen Immobilienkonzern Taekker. Er hat gestern Insolvenz angemeldet. Seiner Praxis, massenhaft günstige Wohnungen aufzukaufen, um sie dann ohne Renovierung zu horrenden Preisen zu verkaufen, ist damit ein Ende gesetzt. Folgen dieses Vorgehens waren, dass viele eingesessene MieterInnen ihre Wohnungen verlassen und Eigentumswohnungen weichen mussten. Die BewohnerInnen der Lause10 laden dieses Wochenende zu einer Feier ein, um die Insolvenz zu feiern.