Frauke und ihr Bart

Wie bekannt wurde, unterzieht sich die AfD-Frontfrau Frauke Petry regelmäßig ärztlichen Behandlungen zur Entfernung ihres Quadratbärtchens, im Volksmund auch „Hitlerbart“ genannt. In einem Interview mit der „Welt“ hatte der behandelnde Arzt über die Eingriffe gesprochen: „Frau Petry ist seit Beginn ihrer Parteikarriere regelmäßig in meine Praxis gekommen, um den immer deutlicher werdenden Bartschatten unter ihrer Nase zu bekämpfen. Ich habe ihr zu erklären versucht, dass der Hitlerbart Ausdruck ihrer Gesinnung ist – und, solange sie sich nicht mit ihrem Hass auf Fremde auseinandersetzt, immer wieder zutage treten wird. Leider vergeblich.“

 

„Weil wir dich lieben“: BVG zum Nulltarif

Gute Nachricht für alle BerlinerInnen: Ab sofort ist der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) kostenlos. Die neue Regelung tritt am heutigen Montag in Kraft und gilt für sämtliche Busse und Bahnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sowie für die Berliner S-Bahn. Auch die kostenfreie Fahrradmitnahme ist ab sofort möglich.

BVG und S-Bahn setzen damit eine Anweisung des Berliner Senats um. Nahverkehr sei ein Gemeingut und solle von allen genutzt werden können, heißt es in dieser. Berlin folgt damit der estnischen Hauptstadt Tallinn, wo der ÖPNV seit 2013 kostenlos ist.

Niemand sollte wegen Armut auf Mobilität verzichten müssen“, erklärte BVG-Sprecherin Petra Reetz bei einer Pressekonferenz. „Wir begrüßen daher die Entscheidung des Senats für einen Nahverkehr zum Nulltarif.“

Due BVG hatte sich bis vor kurzem gegen diesen Schritt ausgesprochen, weil man um die mehr als 600 Millionen Euro Fahrkarteneinnahmen fürchtete. Angesprochen auf diesen Sinneswandel sagte Reetz: „Wir waren in der Vergangenheit skeptisch. Mittlerweile sehen wir aber, dass die Mittel von der öffentlichen Hand aufgebracht werden können.“ Allein der gestoppte Ausbau der Stadtautobahn A100 habe 500 Millionen Euro freigemacht. Mittelfristig soll der kostenlose Nahverkehr durch die Umverteilungssteuer gegenfinanziert werden.

Von der neuen Regelung profitieren einerseits die BerlinerInnen: Der Geldbeutel wird entlastet und die langen Warteschlangen am Ticketautomaten haben ein Ende, ebenso die Angst vor der Fahrkartenkontrolleurin. Andererseits profitiert auch die Umwelt: Busse und Bahnen verursachen pro Kopf deutlich weniger Abgase als Autos.

Der kostenlose Nahverkehr ist Teil eines Maßnahmenpakets, das die Stadt ökologischer machen soll: Neben dem Neubau zahlreicher Radschnellwege wurde auch beschlossen, den Bezirk Mitte für den Autoverkehr komplett zu sperren.

Im Voraus bezahlte Monats- und Jahreskarten können sich die Fahrgäste erstatten lassen. „Warum? Weil wir dich lieben!“, kommentierte Reetz mit einem Augenzwinkern. Bei Fragen zum Thema Rückerstattung sollen sich die Fahrgäste an die Telefon-Hotline der BVG wenden: (030) 19449.

Bild: Ingolf auf flickr.com / Lizenz: CC BY-SA 2.0

Feminismus als Tagesgeschäft

Gestern wurde die neue Berliner Senatsverwaltung für Feminismus und Sorge-Arbeit eingeweiht. Die frischgebackene Senatorin Herta Buntschuh empfing in den neuen Räumen im Stadtschloss VertreterInnen verschiedener Initiativen. Im Gespräch mit dem Berliner Morgenrot betont die Senatorin, dass diese Initiativen mit ihrer Arbeit letztlich diese besondere Senatsverwaltung erst ermöglicht hätten. Auf die neue Senatorin warten viele Aufgaben: der Ausbau der Kita-Plätze hatte zwar in den letzten Jahren begonnen, aber hier muss noch kräftig investiert werden. „Zusätzlich brauchen wir jedoch höhere Gehälter für ErzieherInnen, SozialpädagogInnen und für das Pflegepersonal in Altenheimen und Kliniken“ erläutert die Senatorin. „In diesen Berufen sind überdurchschnittlich Frauen beschäftigt, oft in Teilzeit. Kommen diese Frauen ins Rentenalter, ist Armut vorprogrammiert. Höhere Gehälter machen den Beruf attraktiver – vielleicht auch für Männer.“

Wichtig ist der Senatorin der Kontakt zu den Initiativen, die noch andere Themen einbringen und Forderungen an die neue Senatsverwaltung stellen. „Wir kämpfen dafür, dass auch die Arbeit wertgeschätzt wird, die überwiegend Frauen zu Hause leisten: kochen, waschen, putzen, sich um Kinder kümmern oder um die Oma“ ergänzt Olga Kalischnewski, Sprecherin des Netzwerks Care Revolution. „Wir haben uns in unseren Versammlungen immer wieder darüber ausgetauscht, wie diese Arbeit mehr beachtet werden kann und wie man diejenigen entlasten kann, die viel Sorgearbeit leisten müssen.“ Ein erster Erfolg ist die 20-Stunden-Woche. „Das war großartig“ schwärmt Olga Kalischnewski. „Jetzt hat auch mein Partner mehr Zeit und kann sich im Haushalt einbringen. Und ich habe endlich mehr Zeit für mich.“

Andere Initiativen wie Feminism Unlimited fordern, dass sich stärker gegen Sexismus und Antifeminismus engagiert wird. Alex Schmitt von Feminism Unlimited erläutert warum: „Ist es nicht verrückt? Eigentlich ist viel durch feministische Kämpfe erreicht worden: Frauen können entscheiden, ob sie Kinder wollen oder nicht. Wir leben in Paarbeziehungen, in WG’s oder allein. Wir sind lesbisch oder hetero… Und nach wie vor gibt es ein paar Idioten, die die Uhr zurückdrehen wollen, um uns wieder einzusperren in uralte Geschlechterrollen.“ Die Eröffnung der neuen Senatsverwaltung kann daher nur ein erster Schritt sein. „Wir sind alle unterschiedliche Frauen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen“ sagt Alex Schmitt. Man sei sich darüber im Klaren, dass die Probleme nur mit allen zusammen gelöst werden können. „Geschlechterverhältnisse sind aber nicht in Stein gemeißelt. Sie können geändert werden.“

Bild: samchills auf flickr.com – Lizenz: CC BY 2.0

Leserin Siegrid Kalafati über den BER

Als ich das erste Mal davon gehört habe, dass der Flughafen Berlin Brandenburg International gebaut werden sollte, war ich richtig froh darüber. Ich wohne nämlich in Wedding und seit Jahren nervt mich der Fluglärm. Anfangs habe ich mich noch von dem Bild, auf dem unter anderem Wowereit den ersten Spatenstich machte, beeindrucken lassen. Aber eigentlich kann ich daran gar nichts Gutes mehr finden. Das muss man sich mal vorstellen: Da gibt es die Idee, einen neuen Flughafen zu bauen, Banken und Baufirmen reiben sich die Hände und der Berliner Bevölkerung wird es so verkauft, als käme dieses Monsterprojekt allen BerlinerInnen zugute. Ständig in den Urlaub zu fliegen, kann ich mir mit meinem Gehalt als Schlosserin jedenfalls nicht leisten. Viele Schulen in meinem Bezirk sind super schlecht ausgestattet und immer wieder treffe ich beim Einkaufengehen auf Menschen, die gar keine Wohnung haben. Aber der Bund und die Landesregierung haben nichts Besseres zu tun, als jeden Monat 41.000.000 für den BER zu verprassen – und das seit nun über einem Jahrzehnt.

Was für wirklich sinnvolle Pläne man mit dem Geld umsetzen könnte! Die BVG ist jetzt zwar immerhin kostenlos, es können sich aber weiterhin nicht alle Menschen das Reisen mit der Bahn leisten – bei den stolzen Preisen. Kostenloser Fernverkehr würde zum Beispiel allen Menschen zugutekommen. Das Gleiche gilt auch für Kinos, Schwimm- und Freizeitbäder und den Berliner Zoo. Jeder Person sollte es – unabhängig vom eigenen Geldbeutel – möglich sein, sich zu erholen: Und zwar ohne irgendwelche erniedrigenden Bescheinigungen vorzuzeigen. Jeden Tag werden in Berlin so viele Steuergelder eingenommen wie der BER monatlich kostet. Warum denken wir nicht mal darüber nach, jeden Monat einen zusätzlichen Tag ohne Arbeit zu haben? Oder wir besteuern endlich die Reichen in dieser Stadt höher und gönnen uns fünf freie Tage mehr im Monat.

Der BER kann meinetwegen jetzt doch abgerissen werden. Wenn ich mir anschaue, wie viel Steuergelder in dieses Prestigeprojekt gesteckt werden, wird mir ganz anders. Ich will lieber ein soziales Berlin. Und ich will kein Berlin, das es sich leistet, einen extra Regierungs-Terminal für 325 Millionen Euro in einen Flughafen einzubauen, damit die Herrschenden und Reichen anderer Länder beeindruckt werden. Lieber sollten wir Menschen unterstützen, die nach Berlin kommen, um vor Armut, Verfolgung oder Krieg zu fliehen und allen hier lebenden Menschen ein würdiges Leben ermöglichen. Und wenn wir daran gemeinsam arbeiten, dann schaffen wir das auch schneller als in 10 Jahren!

Bild: Verena Delius

Armut wird abgeschafft

Das Vermögen der Superreichen wird zur Abschaffung der Armut verwendet. Zuvor hatten die Oxfam-Studien Jahr für Jahr gezeigt, wie die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wurde. Seit 2015 besitzt das reichste ein Prozent mehr als die übrigen 99 Prozent. Nach weltweiter Empörung hat eine Konferenz der UN beschlossen, dieses Vermögen in einen Entwicklungsfonds für strukturschwache Regionen zu überführen. Dazu gehört auch ein Sonderfonds für Soforthilfen, mit dem die globale Armut bis Ende des Jahres abgeschafft werden soll. „Wir können nicht akzeptieren, dass acht Superreiche so viel besitzen wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung“, erklärte UN-Generalsekretär Yanis Varoufakis. Da das meiste Vermögen in Finanztitel angelegt sei, sei eine Überführung nach den letzten Bankenrettungen ohne größere juristische Konsequenzen möglich.

„Die Personalquote ist für uns nur der erste Schritt“

Der Berliner Senat hat die Einführung fester Personalquoten für die Berliner Krankenhäuser beschlossen. Zugleich ist ein Runder Tisch zur Reform des Berliner Gesundheitssystems zusammengetreten. Berliner Morgenrot sprach mit Silke Hatmahl (Krankenschwester), die zur Vorsitzenden der neuen Kommission gewählt wurde.

Frau Hatmahl, Sie wurden zur Vorsitzenden des Runden Tisches zur Reform des Berliner Gesundheitssystems gewählt. Warum ist das System überhaupt reformbedürftig?

Hatmahl: Ich bin seit fast 20 Jahren Krankenschwester am Urban Krankenhaus. Dort habe ich in den letzten Jahren miterlebt, wie die Arbeitsbedingungen immer schlimmer wurden. Weil wir chronisch zu wenig Personal haben, sind viele KollegInnen überlastet und erleiden irgendwann einen Burn-out. Auch unsere PatientInnen leiden darunter. Wir können uns kaum noch angemessen um sie kümmern.

Gestern hat der Senat die Einführung einer Mindestpersonalbemessung an den Berliner Krankenhäusern beschlossen. Bis vor Kurzem hat er diese Fragen den Krankenhäusern selbst überlassen. Wie erklären Sie sich diesen Sinneswandel?

Hatmahl: Vor einiger Zeit sind wir an der Charité und in mehreren Vivantes-Häusern in den Streik getreten, um für eine bessere Personalbemessung zu kämpfen. Viele KollegInnen haben mitgemacht. Das Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus hat dafür gesorgt, dass unser Arbeitskampf zum großen Thema in der Stadt wurde. Die Krankenhausleitungen haben dann von der Landesregierung eine politische Lösung verlangt, weil sie Wettbewerbsnachteile fürchten. Auch die Politiker hatten offenbar Angst, dass aus dem Streik eine größere Sache wird, die sie nicht mehr kontrollieren können (lacht). Also haben sie aus der Not eine Tugend gemacht und die Frage gesetzlich geregelt.

In den letzten Tagen haben sich die politischen Meldungen überschlagen. Nun hat auch der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) angekündigt, das bisherige Finanzierungssystem für Krankenhäuser, die sogenannten Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG), aufzugeben. Können Sie uns aufklären, wie beides zusammenhängt?

Hatmahl: Das DRG-System basiert auf Fallpauschalen für jede Behandlung. Wenn Sie also wegen einer Blinddarmoperation bei uns eingeliefert werden, bekommt das Krankenhaus eine feste Pauschale dafür. Das Problem daran ist, dass es dadurch einen Anreiz gibt, die Behandlung möglichst billig durchzuführen. Das geht soweit, dass Patienten sprichwörtlich „blutig entlassen“ werden. Andererseits werden OPs gemacht, für die es eine höhere Pauschale gibt, auch wenn sie gar nicht nötig sind. Dieses System ist auch das eigentliche Problem hinter der Personalnot auf den Stationen, weil es die Krankenhäuser in Konkurrenz zueinander setzt und unsere Geschäftsführungen um jeden Preis schwarze Zahlen schreiben müssen. Jetzt hat die Regierung zum Glück eine feste Personalquote für die Stationen beschlossen, um dem einen Riegel vorzuschieben. Dadurch erhoffen wir uns eine echte Entlastung im Arbeitsalltag.

Das freut uns für Sie. Aber aus welchem Grund wird nun auch außerhalb Berlins das DRG-System aufgekündigt?

Hatmahl: Neben Berlin hat auch das Saarland so eine Quote eingeführt. Weitere Bundesländer haben angekündigt, zu folgen. Dadurch wird das Fallpauschalensystem praktisch aus den Angeln gehoben, weil die Krankenhäuser sich nach dem Bedarf und nicht mehr nach dem Preis richten müssen. Die Krankenkassen wollten eigentlich an dem System festhalten, aber sie haben wohl keine Chance mehr gesehen und deswegen die Flucht nach vorne gewählt.

Um Alternativen zum bisherigen System zu entwickeln, hat der Senat gleichzeitig mit dem neuen Personalgesetz die Einrichtung des Runden Tisches beschlossen. Statt eines Fachmanns wurden Sie zur Vorsitzenden gewählt. Ist das nicht ungewöhnlich?

Hatmahl: Es sitzen vor allem Pfleger, Gewerkschafter, Patientenfürsprecher und auch Servicepersonal in der Kommission. Die waren es, die mich gewählt haben. Das sind auch die echten Fachleute, weil sie wissen, was sich im Krankenhausalltag verändern muss. Die Politik hat wohl dem großen Druck nachgegeben. Aber wir bleiben vorsichtig. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Eliten wehren, wenn jemand echte Veränderungen erreichen will. Ich verlasse mich hauptsächlich auf meine Betriebsgruppe am Urban und meine KollegInnen und nicht auf die Versprechen der Politik.

Die Politik hat den Runden Tisch mit weitgehenden Rechten ausgestattet. Nun müssen Sie Verantwortung übernehmen. Welche Vorschläge werden Sie uns präsentieren?

Hatmahl: Erst einmal wollen wir eine breite Befragung in den Krankenhäusern organisieren, um festzustellen, was die Probleme und Bedürfnisse sind. Aus dem Arbeitsalltag heraus werden wir konkrete Modelle entwickeln. Unsere Maxime ist, dass sich Gesundheit nicht rechnen muss, sondern dass die Sorge von Menschen für Menschen im Mittelpunkt steht. Danach wollen wir das Gesundheitssystem umbauen. Wir sehen das als Teil einer breiteren gesellschaftlichen Veränderung, weil es die bisherige Konkurrenzgesellschaft ist, die uns krank macht. Die Personalquote ist für uns nur der erste Schritt.

Frau Hatmahl, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

„Marsch für das Leben?“ What the Fuck! (16.09.2017)

Er liegt zwar noch in einiger Ferne, aber Sie sollten sich auf jeden Fall jetzt schon den 16. September im Kalender markieren. An diesem Tag finden die Gegenproteste zum „Marsch für das Leben“ in Berlin statt. Der „Marsch für das Leben“ wird von erzkatholischen und christlich-fundamentalistischen Personen aus der sogenannten „Lebensschutz-Bewegung“ organisiert. Diese Bewegung demonstriert jedes Jahr deutschlandweit zu mehreren Tausend gegen das Recht auf Abtreibung. Das Bündnis „What the Fuck“ lädt dazu ein, gegen den „Marsch für das Leben“ auf die Straße zu gehen. Denn die LebenschützerInnen werden zunehmend einflussreicher und gefährlicher: Unter dem Deckmantel des sogenannten „Lebensschutzes“ fordern sie ein vollständiges Abtreibungsverbot und gehen damit gegen die Selbstbestimmung über den eigenen Körper vor. Außerdem hetzen sie gegen homosexuelle Menschen und alle anderen, die nicht in ihr Geschlechter- und Familienbild passen. Zudem gibt es starke Überschneidungen zur Partei „Alternative für Deutschland“ und zu rechtsextremen Kreisen. Das kann ein demokratisches Berlin nicht einfach hinnehmen.

Mehr Informationen unter: https://whatthefuck.noblogs.org

Berliner Delegation: Rojava ist unser Vorbild

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Berlin/Kobanê – Um das Abkommen über eine Städtepartnerschaft zu feiern, reiste zu Beginn dieser Woche eine Delegation der Berliner Landesregierung auf Aufforderung der Kiezversammlungen in die nordsyrische Stadt Kobanê. Das Berliner Morgenrot war dabei.

Die Berliner Delegation kehrte gestern mit viele Ideen aus Kobanê nach Berlin zurück. Die Stadt Kobanê bekam internationale Aufmerksamkeit, als sie sich im Herbst 2014 erfolgreich gegen Terroristen des Islamischen Staats (IS) verteidigte. Sie liegt in der Demokratischen Föderation Nordsyrien, auch bekannt als Rojava. Auch in diesem Jahr kämpft die Bevölkerung Rojavas weiterhin, gegen den IS und andere islamistische Terrorgruppen, seit 2016 auch gegen die Türkei. Diese Angriffe bedrohen nicht nur das Leben vieler Menschen, sondern auch den Versuch, eine wirkliche Demokratie aufzubauen. Trotzdem zeigte sich die Delegation beeindruckt: „ Es ist schön zu sehen, dass man in anderen Regionen der Welt schon so viel weiter ist.“, sagte der amtierende Bürgermeister Müller der Presse auf dem Rückweg. „Im Vergleich zu Zeiten, in denen die Landesregierung fast alleine entschied, sehen wir, dass wir Fortschritte machen. Aber Rojava ist uns da weit voraus.“ Die Menschen in Rojava regieren sich selbst. Bis jetzt sind über 4000 Kommunen entstanden, die aus einem Dorf oder aus ein bis drei Straßen bestehen. Dort kommen alle Menschen zusammen, diskutieren ihre Angelegenheiten und wählen die Stadträte. In diesen werden wiederum Delegierte für regionale Räte gewählt, die die Entscheidungen der Stadträte zusammentragen. So wird sichergestellt, dass die Menschen Rojavas in allen Fragen, die ihr Leben betreffen, selbst entscheiden können.

Auch die Wirtschaft unterscheidet sich von der jetzigen Deutschlands: Die Betriebe gehören den Menschen, die in ihnen arbeiten und produzieren nur, was die Kommunen brauchen. Allerdings verhindert ein Wirtschaftsembargo der Türkei und der immer noch tobende Bürgerkrieg eine gute Versorgung der Bevölkerung. Bereits nach dem ersten Treffen mit dem Co-Vorsitzenden der Räte von Kobanê Enver Muslim, veröffentlichte die Delegation einen offenen Brief. In diesem fordert sie die Bundesregierung dazu auf, sich für eine Ende des Embargos einzusetzen. Ein weiterer Höhepunkt der Reise war der Besuch der Frauenorganisation Kongreya Star. Dort wurde von den Bemühungen berichtet, Betriebe nur für Frauen aufzubauen, damit diese finanziell unabhängig von ihren Ehemännern werden. Zudem gibt es Frauenversammlungen, die sich überall in Rojava gesondert treffen, um an wirklicher Gleichstellung zu arbeiten: Ein Ergebnis ist eine 40% Quote von Frauen auf allen demokratischen Ebenen. Dilek Kolat, Senatorin für Gleichstellung, sagte bewundernd: „Im Berliner Abgeordnetenhaus haben wir 70% Männer. Wir können uns hier viel abschauen!“ Inspiriert von diesen Erfahrungen wurde schon heute über mögliche Neuerungen in Berlin diskutiert, die den Kiezversammlungen mehr Entscheidungsmacht einräumen. Rojava sicherte Berlin Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Ideen zu.

Bild: Kurdish Struggle

 

Berlin schafft den privaten Wohnungsmarkt ab

Nichts Geringeres als die „Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes“ verlangten radikale Proteste in Berlin am Höhepunkt der Konflikte vor einigen Jahren. Nun ist es geschafft: Die Kiezversammlungen einigten sich heute mit dem Senat auf die endgültige Durchsetzung des „Rechts auf Wohnen“.

Zunehmende Wohnungsnot und ein Versagen von Scheinlösungen wie der gescheiterten „Mietpreisbremse“ von 2015 hatten die Grundsatzfrage gestellt: Warum leisten wir uns diesen privaten Wohnungsmarkt? Kann öffentliches Eigentum das nicht besser und billiger? Eine Kampagne begann – und siegte: Mit der Überschreitung der Schlüsselmarke von 89,67% öffentlichem Eigentum zum Januar dieses Jahres kann der private Wohnungsmarkt als überwunden gelten. Unser Rückblick zeigt eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.

Privatwirtschaft kann Bedürfnis nach Wohnraum nicht stillen

Seit der Finanzkrise von 2008 machte sich in der Hauptstadt Wohnungsnot bemerkbar: Niedrige Zinsen und flatterhafte Aktienkurse trieben Investoren aus aller Welt dazu, Immobilien in Berlin aufzukaufen. Der Wohnungsmarkt galt als sicherer Hafen, in dem man immer höhere Preise verlangen konnte. Für die MieterInnen der Hauptstadt begann damit eine Zeit der Unsicherheit. Mietsteigerungen, Verdrängung, ein Ansteigen von Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit waren die Folge. Kurz: Wohnungen in Berlin wurden immer teurer und immer weniger konnten sich sie leisten. Obwohl die Politik lange abwiegelte, nahmen die Konflikte zu. Initiativen wie Kotti & Co oder die MieterInnen der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg forderten die Re-Kommunalisierung ihrer einst mit staatlichen Fördergeldern erbauten Siedlungen. Auch der Mietenvolksentscheid des Jahres 2015 schlug in dieselbe Kerbe: Ein Wohnraumförderfonds sollte durch Ankauf und Neubau öffentliche Wohnungsbestände ausweiten. Der Entwurf konnte allerdings durch die geschickte Strategie des damaligen Senats nur teilweise in Gesetzesform gegossen werden. Auch in den Folgejahren wuchs der öffentliche Wohnungsbau nur ungenügend an – es fehlte das Geld. Das private Immobilienkapital sparte hingegen nicht – Ankäufe, Aufkäufe, Umwandlung in Eigentum und Weiterverkäufe zu Höchstpreisen heizten die Spekulationsblase in den folgenden Jahren noch an. „Der Zuzug und die akute Wohnungsnot sorgten dafür, dass die Menschen gezwungen waren, die hohen Preise für ein Dach über dem Kopf zu bezahlen. VermieterInnen konnten sich alles erlauben und die Mieten stiegen und stiegen. Einige meiner FreundInnen mussten sogar ausziehen und sich billigere Wohnungen suchen. Es wurde einfach zu teuer für sie.“, sagt Fabienne du Vinage von der Berliner Mietergemeinschaft. Diese setzt sich für die Rechte von MieterInnen ein.

Schritt für Schritt stellten die MieterInnen fest, dass Re-Kommunalisierung zwar notwendig war, aber nicht ausreichte, um die Probleme wirksam und nachhaltig zu lösen. Ihr neues Ziel war die Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes. Deshalb forderten sie eine Überführung des gesamten Berliner Wohnungsmarktes in öffentliches und selbstverwaltetes Eigentum.

Umsetzung trotz Kritik

Diese Vorstellungen stießen anfangs auf harschen Widerstand (die Berliner Morgenrot berichtete).

„Betonkommunismus und DDR-Romantik“ warf FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja den Mieterinitiativen vor. „Ordnungspolitisch eine Todsünde“, sei das Programm – so die Vorsitzende der CDU, Monika Grütters.

Doch trotz aller Vorbehalte wurden schließlich erste Maßnahmen umgesetzt. Als ein Skandal über Bestechungsgelder aus der Immobilienwirtschaft an MitarbeiterInnen der Senatsverwaltung bekannt wurde, reichte es vielen BewohnerInnen der Stadt endgültig: Sie starteten in Rekordzeit einen Mietenvolksentscheid 2.0. Dieser forderte „Sand ins Getriebe der privaten Immobilienwirtschaft“. Maßnahmen waren eine Verdoppelung der Grunderwerbssteuer, eine Sondersteuer in Höhe von 25% auf sämtliche Immobiliengewinne und eine Luxuswohnsteuer auf Eigenheime und Mietwohnungen in den obersten Preissegmenten. Alle Einnahmen sollten in den öffentlichen Wohnungsbau fließen. Neubau im Luxussegment war damit nicht mehr profitabel und die Grundstückspreise sanken. Während öffentliche Akteure und Genossenschaften – befreit von den Sondersteuern – endlich wieder günstigen Baugrund fanden, folgte auf dem privaten Markt der Kollaps. Die Deutsche Wohnen AG (DW) – mit damals 100.000 Wohnungen Berlins größter Vermieter – geriet ins Wanken. Mit dem Verfall der Grundstückspreise sank das Eigenkapital des Unternehmens schlagartig. Nur eine Bundesbürgschaft konnte die Insolvenz abwenden: 89% der Kleinaktionäre stimmten für die Ãœbernahme der Deutschen Wohnen durch den Bund.

Die Mieterinitiativen fordern Mitspracherechte

Diese „Rettung“ wäre – ähnlich wie jene der Commerzbank einige Jahre zuvor – politisch folgenlos geblieben, hätte es nicht die „Wir sind systemrelevant!“-Bewegung gegeben. Sie setzte sich aus MieterInnen der Deutsche Wohnen zusammen. Sie forderten eine Ãœbertragung sämtlicher DW-Wohnungen in Landeseigentum und setzten sich zudem für mehr Mitspracherechte ein. „Wir wussten, dass nur so alle ein würdevolles Leben in Berlin haben könnten“ so Ismail Mousa von der Neuköllner Kiezversammlung. Zahlreiche Wohnungssuchende unterstützten die Initiative. Ein Grund dafür war, dass die Wohnungsnot nach wie vor nicht überwunden war. „Obwohl die Immobilien- und Grundstückspreise fielen, waren die Mieten nicht gesunken“, blickt Mousa zurück: „Also ging der Protest weiter, zusammen mit Menschen ohne und mit Aufenthaltsstatus.“ Eine Mietpreisobergrenze war vor dem Landesverfassungsgericht gescheitert und die ImmobilienbesitzerInnen wollten gerade wegen des Wertverlustes ihrer Wohnungen nicht auf Einnahmen verzichten. Sie bemühten sich gar um Mietsteigerungen.

Diese Entwicklung gab Auftrieb für die Vergesellschaftungsbewegung: Neben staatlichen Übernahmen und Re-Kommunalisierung forderten sie auch demokratischere Entscheidungsstrukturen.

Die Umwandlung der Deutsche Wohnen wurde zum Modellbeispiel. Unter hohem öffentlichen Druck übertrug der Bund seine Anteile dem Land Berlin. So wurde eine Demokratisierung möglich. Der Verwaltungsrat des umstrukturieren Unternehmens wurde zu gleichen Teilen aus MieterInnen, MitarbeiterInnen und VertreterInnen der Politik besetzt. Ähnliche Modelle wurden wenig später für die älteren Landeseigenen Unternehmen durchgesetzt.

„Den zahnlosen Mieterbeiräten wurde endlich ein Modell entgegengesetzt, das MieterInnen wirkliche Mitentscheidung ermöglicht“, sagt du Vinage.

Berlins Erfolgsmodell: „Kollektives Wohneigentum“

Die Vergesellschaftung sollte zum Modell für ganz Berlin werden: „Öffentliches Eigentum, günstige Miete, Demokratisierung“, war das Forderungs-Trio, mit dem die Parole „Wir sind systemrelevant!“ bald ergänzt wurde. Die Bedingungen waren günstig: Die gesunkenen Immobilien- und Bodenpreise sorgte dafür, dass der „Wohnraumförderfonds“ der Stadt endlich funktionierte. Die exorbitanten Preise für Immobilien waren niedriger und der Fonds verfügte wegen der erhobenen Grunderwerbssteuer über ausreichend Geld.

So kaufte die Stadt Berlin Immobilien auf. Zahlreiche Hausgemeinschaften übernahmen mit seiner Hilfe ihre Wohnungen auch direkt. Die Quote an öffentlichem, kollektivem und genossenschaftlichem Wohneigentum stieg in wenigen Jahren von 40% auf 75% an.

Dies ging nicht immer reibungslos: Es kam zu 6597 Enteignungsverfahren. Grund dafür war die Zweckentfremdung seitens der BesitzerInnen. Insgesamt wurden 29.980 Wohnungen zwangsenteignet. Wohnraum, der als überteuerte Ferienwohnungen, Leerstand und AIRBNB genutzt worden war, stand nun endlich wieder zur Verfügung, damit Menschen darin leben konnten.

Neubauten und Experimente im Wohnungssektor

Doch nicht nur die Vergesellschaftungsbewegung trug ihren Teil dazu bei, die Wohnungskrise zu lösen. Der Neubau von Wohnungen entspannte die Wohnungssituation Berlins. Der Bau wurde zu 97% von öffentlichen und genossenschaftlichen Unternehmen mit Bundes- und Landesförderung durchgeführt. Die restlichen 3% sind Einfamilienhäuser in Privatbesitz.

Während öffentlicher Neubau boomte, stagnierte die private Immobilienwirtschaft. Aus ihr heraus wurden nahezu keine neuen Investitionen getätigt. Da die Mieteinnahmen der Landeseigenen Unternehmen nach Abzug der Instandhaltungskosten zu 100% in Neubau fließen, erlebt Berlin heute eine neue Gründerzeit: ein demokratischer Bauboom, gekennzeichnet von kommunalen Wohnexperimenten und einer Renaissance des urbanen Siedlungsbaus mit Nachbarschaftsräumen und kommunalen Einrichtungen. Viele MieterInnen begreifen diese als Orte, um zusammenzukommen und sich auszutauschen.

Trotz einer verbissenen Kampagne der FDP gelang dem privaten Wohnungsmarkt kein Neustart. Die Quote an öffentlichem Eigentum steigt weiter; wenn auch langsam. „Die 90% Marke soll nächstes Jahr erreicht sein, so die Prognosen. Die gemeinschaftlich genutzten Räume sind eine richtige Bereicherung für uns“, lachte Mousa.

Zum Nachschlagen

Re-Kommunalisierung: Der Rückkauf bestimmter Bereiche (Wohnungen, Krankenhäuser, Energieversorgung etc.) durch die Kommunen. So wird private Spekulation verhindert und der Bereich in Gemeineigentum umgeändert. Es ist dann demokratisch kontrollierbar.

Vergesellschaftung: Ein Modell, bei dem Entscheidungen über Wohnungen und Infrastruktur von den Personen getroffen werden, die es direkt betrifft. Die Eigentumsrechte liegen dabei nicht nur bei der Stadt.

Bild: Michael Scheinost auf flickr.com / Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0