Berlin/Kobanê – Um das Abkommen über eine Städtepartnerschaft zu feiern, reiste zu Beginn dieser Woche eine Delegation der Berliner Landesregierung auf Aufforderung der Kiezversammlungen in die nordsyrische Stadt Kobanê. Das Berliner Morgenrot war dabei.
Die Berliner Delegation kehrte gestern mit viele Ideen aus Kobanê nach Berlin zurück. Die Stadt Kobanê bekam internationale Aufmerksamkeit, als sie sich im Herbst 2014 erfolgreich gegen Terroristen des Islamischen Staats (IS) verteidigte. Sie liegt in der Demokratischen Föderation Nordsyrien, auch bekannt als Rojava. Auch in diesem Jahr kämpft die Bevölkerung Rojavas weiterhin, gegen den IS und andere islamistische Terrorgruppen, seit 2016 auch gegen die Türkei. Diese Angriffe bedrohen nicht nur das Leben vieler Menschen, sondern auch den Versuch, eine wirkliche Demokratie aufzubauen. Trotzdem zeigte sich die Delegation beeindruckt: „ Es ist schön zu sehen, dass man in anderen Regionen der Welt schon so viel weiter ist.“, sagte der amtierende Bürgermeister Müller der Presse auf dem Rückweg. „Im Vergleich zu Zeiten, in denen die Landesregierung fast alleine entschied, sehen wir, dass wir Fortschritte machen. Aber Rojava ist uns da weit voraus.“ Die Menschen in Rojava regieren sich selbst. Bis jetzt sind über 4000 Kommunen entstanden, die aus einem Dorf oder aus ein bis drei Straßen bestehen. Dort kommen alle Menschen zusammen, diskutieren ihre Angelegenheiten und wählen die Stadträte. In diesen werden wiederum Delegierte für regionale Räte gewählt, die die Entscheidungen der Stadträte zusammentragen. So wird sichergestellt, dass die Menschen Rojavas in allen Fragen, die ihr Leben betreffen, selbst entscheiden können.
Auch die Wirtschaft unterscheidet sich von der jetzigen Deutschlands: Die Betriebe gehören den Menschen, die in ihnen arbeiten und produzieren nur, was die Kommunen brauchen. Allerdings verhindert ein Wirtschaftsembargo der Türkei und der immer noch tobende Bürgerkrieg eine gute Versorgung der Bevölkerung. Bereits nach dem ersten Treffen mit dem Co-Vorsitzenden der Räte von Kobanê Enver Muslim, veröffentlichte die Delegation einen offenen Brief. In diesem fordert sie die Bundesregierung dazu auf, sich für eine Ende des Embargos einzusetzen. Ein weiterer Höhepunkt der Reise war der Besuch der Frauenorganisation Kongreya Star. Dort wurde von den Bemühungen berichtet, Betriebe nur für Frauen aufzubauen, damit diese finanziell unabhängig von ihren Ehemännern werden. Zudem gibt es Frauenversammlungen, die sich überall in Rojava gesondert treffen, um an wirklicher Gleichstellung zu arbeiten: Ein Ergebnis ist eine 40% Quote von Frauen auf allen demokratischen Ebenen. Dilek Kolat, Senatorin für Gleichstellung, sagte bewundernd: „Im Berliner Abgeordnetenhaus haben wir 70% Männer. Wir können uns hier viel abschauen!“ Inspiriert von diesen Erfahrungen wurde schon heute über mögliche Neuerungen in Berlin diskutiert, die den Kiezversammlungen mehr Entscheidungsmacht einräumen. Rojava sicherte Berlin Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Ideen zu.
Bild: Kurdish Struggle