Zum Jubiläum der Russischen Revolution von 1917 eröffnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen heute eine Ausstellung zu städtebaulichen Utopien in der frühen Sowjetunion. Erklärtes Ziel ist es, sich Anregungen für den geplanten kommunalen Wohnungsneubau zu holen. Im Mittelpunkt stehen Entwürfe für Kommunehäuser: Wohneinheiten, die auf ein gemeinschaftliches Wohnen ausgerichtet sind, um die Vereinzelung in der modernen Großstadt zu überwinden. Charakteristisch sind umfassende Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantinen und Waschsalons, Gartenanlagen, Schwimmbäder und Bibliotheken. Deren Funktion besteht sowohl darin, den Aufwand für Hausarbeit zu reduzieren, als auch Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen.
Im Zentrum der Ausstellung steht der Entwurf von Georgi Krutikow „Die Stadt der Zukunft“. 1928 reichte er ihn als Diplomarbeit an der Moskauer Kunst- und Technikhochschule ein. In Krutikows futuristischem Szenario finden Arbeit und Freizeit auf der Erde statt, das Wohnen hingegen in Wohnquartieren, die über ihr schweben. Diese bestehen aus einem fliegenden Ring, auf dem sich mehrere Wohntürme aufrichten. Im Ring selbst befinden sich die Gemeinschaftseinrichtungen. Die Wohntürme bestehen hingegen aus einzelnen Wohneinheiten, die mobil sind. Es sind fliegende Gefährte mit ausziehbaren Schränken. Sie können sich aus den Andockstellen der Wohntürme lösen und davonfliegen, etwa in eine andere Stadt. „Der Entwurf verbindet auf sehr elegante Weise die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens mit dem Prinzip individueller Freiheit und Mobilität“, schwärmt Bausenatorin Katrin Lompscher. „Das Modell der fliegenden Stadt könnte außerdem in Zukunft das Raumproblem für den Neubau lösen“, fährt sie fort. Auf diese Weise ließen sich die Berliner Grünflächen erhalten und dennoch das ambitionierte Neubauprojekt realisieren. Ihr Ministerium habe bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
Heikel könnte es hingegen bei der Frage der Energieversorgung werden. Krutikow hatte umfangreiche Energieberechnungen zur physikalischen Machbarkeit durchgeführt. Seine Hoffnungen beruhten 1928 noch auf der Kernenergie. Nach dem Atomausstieg ist das keine Option mehr. Allerdings haben auch die erneuerbaren Energien große Fortschritte gemacht. Mit entsprechenden Investitionen in Forschung und Entwicklung könnte dieses Problem bald gelöst werden, zeigt sich die Senatorin zuversichtlich. So bietet die Ausstellung auch für junge ArchitektInnen Raum, ihre Entwürfe zum Thema Wohnutopien vorzustellen. Besondere Aufmerksamkeit erhielten bei der Eröffnung die Werke eines Kollektivs aus Berlin, das anhand von Bürgerbefragungen verschiedene Modelle entwickelt hatte. Doch auch weitere beeindruckende Ideen sind zu begutachten.
Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich in jedem Fall.
Bild: Georgi Krutikow